Die These klingt vielversprechend: Wenn eine künstliche Intelligenz (KI) wie OpenAI einen Blogpost in drei Minuten schreiben könnte – was kann ich dann mit der gewonnen Zeit anstellen? Als professioneller Schreiber wäre ich nicht unglücklich, wenn jemand – oder etwas – mir etwas «Knochenarbeit» beim Schreiben von Blogposts abnehmen würde.
Ist die Zukunft jetzt schon da? Kann ich als Content Writer bereits Anfang 2023 meinen Drink am Pool schlürfen, während ein nimmermüder Roboter für mich hochklassige Texte aus dem Ärmel schüttelt?
Eine existenzielle Frage für mich als SEO-Texter, der sein Leben mit Schreiben verdient. Oder anders gesagt: Falls es eine Möglichkeit gibt, meine Arbeit an Texten von fünf Stunden auf zehn Minuten zu kürzen: Sehr gerne. ChatGPT scheint auf den ersten Blick ein Schritt in diese Richtung zu sein. Machen wir die Probe aufs Exempel.
Selten schlug ein KI-Experiment in den Medien und Social Media höhere Wellen als ChatGPT. Die Online-Plattform wurde Ende November 2022 für die Öffentlichkeit freigegeben und erreichte in nur 5 Tagen eine Basis von einer Million registrierter Nutzer. Zum Vergleich: Instagram hat dafür 2.5 Monate gebraucht, Netflix 3.5 Jahre. Es scheint, als wolle sich die ganze Welt ein Stück des KI-Kuchens abschneiden.
ChatGPT ist ein Chatbot und baut auf einem Sprachmodell der GPT-3.5-Familie auf. Der Algorithmus wurde über «bestärkendes Lernen» trainiert – das heisst, die KI von ChatGPT wird fortlaufend durch menschliches Feedback verbessert. Hinter dem Tool steckt das US-Amerikanische Unternehmen OpenAI, das unter anderem von Microsoft und Tesla-CEO Elon Musk finanziert wird.
Es ist absehbar, dass die Investoren eines Tages den Schritt weg vom kostenlosen Angebot machen und den GPT-Algorithmus hinter einer Paywall platzieren werden. Bislang ist die Nutzung von ChatGPT aber noch kostenlos, und natürlich dienen die täglich millionenfachen Feedbacks der Nutzenden auch dem weiteren Training des Programms.
Und so haben seit dem Release von ChatGPT bereits Millionen von Menschen weltweit in diversen Sprachen mit dem Roboter hin- und hergeschrieben und die KI auf Herz und Nieren geprüft. So auch ich – kann ich jetzt an den Pool?
Blogposts schreiben sind ein Teil meiner täglichen Arbeit. Zu einem Blogpost gehört eine umfassende Recherche, das Schreiben und Nachbearbeitung inklusive technischer Optimierungen. Eine zeitaufwändige Arbeit. Und am Ende muss der ganze Content idealerweise noch SEO-Optimiert sein. (Siehe auch: Fünf Tipps zum Schreiben eines Blogs)
Kann ChatGPT mir all das mit nur einer Aufforderung liefern? Let’s try!
Mein Prompt (Eingabe) an ChatGPT: «Schreibe einen Blogpost über digitales Vertragsmanagement mit der Länge von 2200 Wörtern.»
Was ChatGPT liefert: Die künstliche Intelligenz generiert einen Text von 450 Wörtern und 2600 Zeichen. Mit Einstieg, Erklärungen, Listicle und Fazit. Ja, ChatGPT hat mir hier soeben auf Befehl einen Text zu einem gewünschten Thema zusammengestellt.
ChatGPT am Schreiben: Der Chat-Roboter verfasst hier einen kurzen Text zu einem von mir gewählten Thema. Da ich spezifisch einen «Blogpost» verlange, gliedert er den Text bereits mit einer Einleitung, erstellt eine Auflistung und wird mit einem Fazit abschliessen.
Ich bin entzückt. Und auch wenn wir nicht bei der gewünschten Textlänge sind: Der von der KI gelieferte Text liest sich wie eine runde Einführung ins Thema. Und: Ich realisiere, dass ich noch viel zu wenig über digitales Vertragsmanagement weiss, um die Qualität der Arbeit zu beurteilen. Deshalb gleich die Folgefrage: «Was muss ich über Vertragsmanagement wissen?». Warum nicht gleich auch ChatGPT fragen?
Aber halt mal – ChatGPT ist ja im Kern ein Chatbot. Natürlich können wir auch einen Dialog führen. Ich beschliesse also, die KI gleich mit Fragen zu löchern.
Mein nächster Prompt: «Erkläre mir die wichtigsten Aspekte von digitalem Vertragsmanagement.»
Was ChatGPT liefert: Und wieder erhalte ich vom Chat-Bot eine Antwort in mehreren Absätzen, inklusive kurzer Auflistung und einer Zusammenfassung.
Die wichtigsten Aspekte eines Themas, sauber gegliedert. Für eine kurze Recherche, die nicht allzu tief gehen muss, scheint ChatGPT ein effizienter Ideenbringer zu sein.
Ich bin beeindruckt. Und kann mir ausmalen, wie die künftige Zusammenarbeit von Mensch und Text-KI aussehen kann. Ich lese das Resultat durch, das die KI mir liefert und verstehe jetzt, worauf ich beim Thema achten muss.
Mein Wissen ist nun etwa so, wie wenn ich eine Google-Suche gemacht und dann die Antworten der ersten 5-6 Suchresultate selber kompiliert hätte. Aber hier in ChatGPT erhalte ich das auf einen Blick und innerhalb von zwei Minuten. Und ich kann Folgefragen stellen oder nachhaken, wenn ich spezifische Informationen wünsche – alles ganz natürlich halt, wie wenn man mit einer Person schreiben würde.
Aber da ich mit dem besprochenen Thema noch nicht so vertraut bin, könnte ChatGPT mir ja auch irgendwas angeben, oder? Ich beschliesse, das Heft in die Hand zu nehmen und teste die KI in einem Feld, in dem ich auch persönliche Expertise habe, das aber spezifisch genug ist, damit generelle Antworten nicht ausreichen. Das Thema: «Investieren in Sammelkarten»
Auch hier wieder: ChatGPT liefert mir zuerst einen kurzen Disclaimer zu Investieren im Allgemeinen. Das sollte es auch – ich bin sicher nicht der Erste, der die KI nach Investment-Tipps fragt. «Immer mit Vorsicht zu geniessen», heisst die Devise.
Danach gibt ChatGPT mir drei sehr akkurate, zentrale Aspekte zu Investitionen in diesem speziellen Feld wieder. Genau, wonach ich gefragt hatte. Die KI hat die wichtigen Kernaussagen abgedeckt und korrekt wiedergegeben. Genauso hätte ich das Thema auch zusammengefasst. Diesen Test hat der Roboter also bestanden.
Doch ich hake nach: «Wo sind die Quellen für Deine Aussagen?»
Aufgepasst: Hier kommen wir nahtlos ins Reich der Fantasie. Die angegebenen Quellen existieren oft nicht, oder dann sind die vorgeschlagenen Titel frei erfunden und wurden so nie publiziert. Was ChatGPT hier liefert, ist mehr schein als sein – wird aber nicht als das deklariert.
Und blitzschnell liefert ChatGPT eine Auflistung von Quellen und Zitaten. Das Problem: Sie sind alle frei erfunden. Die KI liefert zwar eine Aufstellung, die wie ein Quellenverzeichnis aussieht. Doch die angegeben URLs existieren nicht, und die Zitate sind nur eine Aneinanderreihung von thematisch verwandten Satzteilen, die zitierten Plattformen sind erfunden. Und hier offenbart sich die wohl grösste Schwäche von ChatGPT: Der Chatbot ist weder tagesaktuell, noch kann er auf aktuelle Informationen im Web zugreifen. Dazu ist die aktuelle Iteration der künstlichen Intelligenz von OpenAI nicht ausgelegt.
Hier offenbart sich die grösste Schwäche von ChatGPT: Das Programm wurde nach dem Wissensstand von 2021 trainiert, und kann sich selber keine neuen Informationen und Updates aus dem Internet holen. Dafür gibt es bestimmt gute Gründe – und es muss nicht der Grund sein, dass sich KI innert Kürze zur existenziellen Bedrohung entwickeln kann, wie Tim Urban in seinem brillanten Post zu «Artificial Intelligence» auf dem WaitButWhy-Blog beschreibt.
Vielmehr scheint der Fokus bei ChatGPT noch auf dem Sprachmodell – und damit auf Improvisation – zu liegen. «Fake it ‘til you make it» ist die Devise. Und dessen muss man sich beim Einsatz der KI bewusst sein: Der Grat zwischen Wahrheit und Improvisation (andere nennen’s Lügen) ist schmal.
Wer ChatGPT nuanciert verwendet, muss auch nicht gleich eine «Gefahr für die Demokratie» dahinter vermuten, wie News-Seite Watson bereits drohend verkündet. Wichtig ist, sich der Limitationen des Algorithmus bewusst zu sein, während man die Früchte seines Könnens nutzt. Fundierte Quellen und tagesaktuelles Wissen sind nicht etwas, was ChatGPT ausgeben kann. Dafür gibt es die Google-Suchresultate (ebenfalls mit Vorbehalt zu geniessen, aber wenigstens sortierbar).
Wobei das eigentlich heissen müsste: Die “aktuell” grössten Schwächen von ChatGPT. Wir befinden uns ja sowohl in einer Beta-Testumgebung wie auch auf einem Gratis-Modell des Angebots. Klar, ist dies noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir halten fest, was ChatGPT aktuell noch nicht kann:
Entsprechend kann die KI nicht zentrale Dinge umsetzen wie: «Schreibe, wie XY (Experte der Firma YZ) das ausdrücken würde.» «Nehme Bezug auf (ein bestehendes Angebot / Landing Page)»
Genau diese Nuancen sind aber wichtig beim Erstellen von Texten.
Wir halten also fest, dass die KI sich nur schon deswegen noch nicht als Blog-Schreiber eignet. Die folgenden drei Gründe disqualifizieren ChatGPT als Blogger (und damit meine Träume vom Leben am Pool):
Auf der anderen Seite erkenne ich durch die Nutzung des Tools durchaus sein Potenzial. Und erst ein guter Monat ist seit dem öffentlichen Start des Programms vergangen. KI-Experten sprechen immer von exponentiellen Fortschritten. Für uns ist das schwierig nachzuvollziehen, aber je mehr die KI lernt, desto schneller lernt sie auch zu lernen. Mind: Blown.
Aber bereits jetzt kannst Du vom Chat-Roboter profitieren. Während meiner Tests habe ich herausgefunden, dass einige use cases durchaus Sinn machen.
Was CG enorm gut macht, ist die Zusammenfassung von komplexen Themen in leicht verdauliche Texte. Ich hatte vorhin den Vergleich mit einer Google-Suche gemacht. Suchst Du manuell nach einem Stichwort oder tippst einen Satz im Suchfeld ein, erhältst Du mehrere Seiten an Suchresultaten. Die obersten davon sind sowieso Werbung, also machst Du Dich daran, die für Dich relevanten Suchergebnisse in Tabs zu öffnen.
Warum nicht stattdessen einfach mal ChatGPT fragen? Sieh’ den Roboter als einer Deiner belesenen, aber latent besserwisserischen Kollegen: Da ist viel breites Wissen vorhanden, und Du kriegst innert Sekunden eine generelle Übersicht über ein Thema. Du kannst auch aktiv nachfragen, wenn Du irgendwo vertiefte Informationen benötigst. Sei Dir aber bewusst, dass – wie bei Deinen Kollegen – vieles auf «Hörensagen» beruht und oft keine Quelle für eine Aussage gegeben werden kann.
Ich persönlich nutze ChatGPT jetzt, um Ideen zu «bouncen» und eventuelle neue Aspekte über ein Thema aufzudecken. Wenn ich das KI-Tool nutze, um mir eine Liste von möglichen Titeln zu einem Post oder einen Kurztext über ein spezielles Thema zu geben, entdecke ich darin oft auch Aspekte, die ich noch nicht berücksichtigt hatte.
Ja – ChatGPT könnte eines der Tools sein, mit dem ich selber schneller mit einem Thema vertraut werden kann. Forschende der Universität Zürich sehen im «idea Bouncing» mit einer KI zum Beispiel viel Potenzial in der politischen Entwicklung. Was, wenn man mit einem Chat-Programm die “Pro”- und “Contra”-Aspekte eines Themas wertefrei besprechen könnte? Zentral wären hier aber wieder die verwendeten Quellen und deren Nachweis. Ich halte es deshalb relativ unverfänglich und stelle eher generelle Fragen wie «Was muss ich über (Thema XY) wissen?». Auf solche Fragen liefert mir die Chat-KI bereits wertvolle Impulse.
Wenn Du nun ChatGPT als Werkzeug verwenden möchtest, um Deine Textarbeit zu optimieren, dann solltest Du dabei aber mindestens folgende drei Punkte beachten:
Ja – Google straft «KI-generierten» Content in seinen Suchergebnissen ab. Aber Nein – Google kann nicht automatisch erkennen, ob ein Inhalt von einem Menschen oder einem Computer geschrieben wurde.
Wenn Du Inhalte fürs Internet schaffst, müssen diese gut lesbar, verständlich und fehlerfrei sein. Nur so garantierst Du die von Google hoch gelobte «Experience», die Deinen Rang auf Google mitbestimmt. Und «Google E-A-T»-Optimiert sind die Inhalte, die ChatGPT liefert noch lange nicht.
Ein Blogpost besteht aus so viel mehr als nur Wörtern in einer langen Reihe. Ein Post hat eine Aussage – das Ziel, Dich als Leser schlauer als zuvor zu machen. Ein Blogpost sollte stilistisch sowohl auf den Absender wie auf die Leserschaft angepasst, und zudem noch spannend zu lesen sein. Er sollte Neugierde wecken und im Idealfall eine Geschichte erzählen. Ergänzend dazu wollen noch Illustrationen ausgewählt, Quellen angegeben und Links gesetzt werden. Dazu noch die Aufbereitung des Texts für eine optimale Findbarkeit durch Suchmaschinen (SEO). All diese Finessen wird Dir aktuell noch keine KI liefern können.
Deshalb kann ich Dir die Chat-KI einfach als Ideen-Lieferanten und «Idea Bouncer» empfehlen. Während der Diskussion mit dem Roboter findest Du heraus, ob ein Thema noch Nuancen aufweist, die Du noch nicht berücksichtigt hattest. Lass’ Dir auch Titelvorschläge und Auflistungen geben, denen Du nachgehen kannst.
Die KI-Revolution kommt – keine Frage. Aber vorerst werde ich die Blogposts für mein Unternehmen noch selber schreiben. Das kann ich ja auch am Pool tun.
Pic Credit: Hurca !