Wenn wir von UX Workshops reden, meinen wir Workshops, welche UX Prozesse voranbringen. Daher befinden wir uns mit unserem Workshop in der menschzentrierten Entwicklung (auch HCD für Human Centered Design). Als Begriff zwar vielen bekannt und dennoch oft missverstanden oder angewandt. Mehr dazu in meiner UX Irrtümer Serie. Das Prinzip des HCD, gemäss der Norm ISO 9241, stellt den Menschen und dessen Bedürfnisse bei der Entwicklung in das Zentrum. Der Mensch wird das Produkt benutzen und wird damit zum Benutzer. So weit, so gut. Was sind nun die Bedürfnisse dieses Benutzers und welche Lösungen befriedigen diese ominösen Bedürfnisse? So etwas könnte man zum Beispiel mit einem Kreativ-Workshop herausfinden. Und hier fängt der häufigste Denkfehler an, denn selten finden sich tatsächlich Benutzer in solchen Workshops. In UX Workshops, sollten jedoch die Benutzer präsent sein. Je nach Prozessphase, benutzt man entweder empirische Daten, anhand derer gearbeitet wird oder lässt Benutzer aktiv in Workshops mitarbeiten. Man bringt sie eben ins Zentrum.
Das Prinzip des Design Thinking, kann man sicher als einen Vorgänger der jüngeren User Experience sehen. Dabei hat Design Thinking viele Parallelen zum HCD, dem die UX zugeordnet wird. Design Thinking ist hierbei auch im UX Bereich ein gern gesehenes Vorgehen. Leider hat eine schnelle Verbreitung und oft halbherzige Adaption und Missverständnis des Begriffes, für verschiedene, Interpretationen von Design Thinking gesorgt. Manchmal als Entwicklungsprozess, manchmal als Methode, manchmal als Ansammlung von Methoden, um Beispiele zu nennen. In vielen Fällen wird hierbei das «Standpunkt des Benutzers einnehmen» falsch interpretiert. In solchen Fällen sitzen viele Experten in einem Raum, versuchen sich aus ihren Gedanken heraus in Kunden und Benutzer zu versetzen und Probleme zu erfinden. Für diese denken sie sich Lösungen aus, visualisieren diese und so werden sie dann auch entwickelt. Nicht ein einziges Mal wird ein echter Benutzer hinzugezogen. Das ist kein UX und demnach auch kein UX Workshop. Strenggenommen ist das auch kein sauberes Design Thinking, das ist aber ein anderes Thema. Die einfache Faustregel gilt auch hier: «Keine User, kein UX.» Damit stellt sich eine Frage.
Je nach Workshop und Projektphase könnte man tatsächliche Benutzer oder repräsentative Personen für eine kleine Aufmerksamkeit zum Workshop bitten. Das funktioniert besser als man zunächst glaubt und rentiert sich schnell. Andererseits könnten die Benutzer auch als Datensatz vorhanden sein. Das bedeutet, dass die Workshop-Teilnehmer Zugang zu gesammelten und aufbereiteten Benutzerdaten haben. Diese Daten können Stichworte, Listen, Personas, Diagramme, Journeys oder was auch immer sein. Wichtig ist, dass diese Daten von tatsächlichen oder repräsentativen Benutzern stammen. Diese Daten kann man unter anderem durch Analysen, Interviews, Umfragen oder vorgängigen Workshops mit Benutzern generieren. Diese Daten sind es dann, die wir als Gedankenhilfe nehmen, wenn wir sagen, dass wir die Sicht des Benutzers einnehmen. Ich betone nochmals: Wenn sich keine Benutzer oder echte Daten von Benutzern im Zentrum des Workshops befinden, handelt es sich vielleicht um einen Kreativ-Workshop, aber nicht um einen UX Workshop.
Viele. Sehr viele. Es kommt auf die verantwortlichen Personen und Projektressourcen an. Aber auch verschiedene Methoden und Ansätze gehen hier auseinander. Sogar die 6 Schritte des Design Thinking können variierend auf Workshops aufgeteilt werden. Ich unterteile das Ganze der Einfachheit halber etwas genereller in drei grobe Schritte:
Jeder dieser Schritte kann unterschiedlich detailliert durchgeführt werden. Nachfolgend gehe ich auf jeden kurz ein.
Grundsätzlich muss man den Benutzer erst einmal kennenlernen. Dabei können fertig ausgearbeitete Datensätze vorgestellt werden, mit denen gleich gearbeitet werden kann. Es können auch gröbere, erst konsolidierte Daten vorgestellt werden, mit welchen man sich auseinandersetzen muss, um die Daten in letzten Schritten brauchbar aufzubereiten. Dabei können die Daten aus Sätzen, Stichworten, Diagrammen und Ähnlichem dargestellt werden. Eine finale Form der Datenvisualisierung wären Personas. Zu dem Thema Personas habe ich einen eigenen Artikel verfasst.
Wenn man einen Workshop zum Kennenlernen und Verstehen mit einem groben Datensatz startet, dann werden diese Daten zusammengesammelt, in Kontext gebracht und priorisiert. Startet man schon mit fertigen Datensätzen, dann kann man diese als Grundlage nehmen, um potenzielle Probleme und Bedürfnisse zu brainstormen. Die tatsächlichen Bedürfnisse von tatsächlichen Benutzern zu verstehen, ist das A und O.
Man kann auch mal einen Workshop aus Anbieter-Sicht machen. Dabei macht man den Workshop ohne Benutzerdaten, wie ich es vorhin beschrieben habe. Das wichtige hierbei ist, dass man sich im Klaren ist, dass alle Informationen, Probleme und Bedürfnisse nur Annahmen sind. Im Anschluss kann man mit Hilfe von Interviews oder Umfragen die Annahmen auf ihre Richtigkeit prüfen.
Ein wichtiger Ansatz bei Workshops, seit der Etablierung des Brainstorming-Konzeptes um 1939, ist die positive und offene Attitüde während des Workshops. Es gibt kein «Nein», «Falsch» oder «So geht das nicht», wenn wir Ideen suchen. An dieser Stelle erkläre ich gern, dass für den kommenden Zeitraum der Ideenfindung Geld unendlich ist und Zauberei existiert. Wir können die Ideen im späteren Verlauf immer noch zurück in die Realität holen. Zum Beispiel:
Wir haben das Bedürfnis, dass das Paket persönlich empfangen werden kann, damit es nicht ewig vor der Haustür steht oder abgeholt werden muss. Gern kann jemand die Idee äussern, dass ein Einhorn mein Paket überall dorthin liefert, wo der Kunde ist. Die Idee holen wir später in die Realität und kommen darauf, dass man mit Drohnen und GPS-Ortung arbeiten kann. Und wenn wir nun die Machbarkeit und Kosten prüfen, kommen wir auf die Idee, dass ein Tracking System für das Paket mit Steuerungs-Optionen, wie alternative Zustellungsadresse oder verzögerte Auslieferung reicht. Im Anschluss werden die Details zur funktionierenden Umsetzung ausgearbeitet. Natürlich werden dabei verschiedene Versionen mit Benutzern getestet.
Der Punkt ist, dass aus den unwahrscheinlichsten Ideen, gute Lösungsansätze generiert werden können. Daher wird in diesem Moment alles akzeptiert.
Hierbei ist Wireframing und sogenannte Papier-Prototypen oder Lo-Fi-Prototypen äusserst hilfreich. Dabei werden konkrete Lösungen und ganze Prozesse abgebildet und als Interface schematisch skizziert. Mehr dazu in meinem Beitrag über Prototyping. Dabei können diese Lösungen schnell angepasst oder einfach verworfen und neu gemacht werden. So kann man zum Beispiel in kleinen Gruppen arbeiten. Pro Gruppe dient immer einer als Testproband für eine andere Gruppe. Der Prototyp wird angepasst und dann wiederholt sich der Test mit jeweils anderen Personen, bis alle mal Testperson waren. Die gesammelten Erkenntnisse vereint man und macht den ersten Test mit richtigen Probanden. Dabei spielt Design noch keine Rolle.
Vorhin kurz angesprochen, möchte ich noch genauer auf Workshops eingehen, in welchen aktiv mit Benutzern gearbeitet wird. In den meisten Fällen kann man sich diese, wie die meisten Workshops, als geführte Diskussion und eine Art Gruppen-Interview vorstellen. Anstatt mit einzelnen Probanden Interviews zu führen oder diese im Alltag zu beobachten, gibt man unterschiedlichsten Benutzertypen einen Rahmen ihre Erfahrungen auszutauschen, zusammenzutragen und diese auch gleich selbst zu priorisieren. Auch ist es möglich, solch eine Gruppe mit zuvor generierten Vermutungen zu konfrontieren und diese so zu überprüfen. Ebenso kann man in Umfragen gesammelte Daten verifizieren und gewichten. In manchen Fällen kann man auch Benutzer und Anbieter in den gleichen Workshop geben. Dann können Methoden eingesetzt werden, welche die grundlegende Kommunikation zwischen den Parteien verbessert und Konsens sichtbar macht.
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